Große Meerforellen an der Küste



Das gezielte Angeln auf große Meerforellen von der Küste aus stellt signifikante komplexe Anforderungen an den Küstenangler und insbesondere den Fliegenfischer. Doch zugleich übt der Fang einer großen Meerforelle einen ganz besonderen Reiz auf viele Küstenangler aus. Im folgenden Bericht finden Sie den Extrakt meiner Erfahrungen aus 20 Jahren Küstenangeln mit dem Fokus auf das Fangen großer Meerforellen.

Ernährungsumstellung und Definition der großen Meerforelle

Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die Ernährungsgewohnheiten der Meerforelle werfen. Denn im Verständnis eben dieser liegt ein wesentlicher Schlüssel zum Fangerfolg.
Kleinere Meerforellen von ca. 25-45cm ernähren sich überwiegend von Tangläufern, Garnelen, Ringelwürmern, Stichlingen, Groppen und anderen kleinen Krebstierchen und Fischchen. Nicht selten fressen die kleineren Meerforellen regelmäßig auch bereits größere Futterfische.
Mittlere Meerforellen von ca. 45-65cm ernähren sich zunehmend prägnanter von größeren Futterfischen wie z.B. dem Sandaal und dem Hering.
Große Meerforellen ernähren sich zum deutlich überwiegenden Teil von größeren Futterfischen wie insbesondere dem ausgewachsenen Hering und dem ausgewachsenen Sandaal.
Die Umstellung der Ernährung in Richtung größere Futterfische ist bei vielen Meerforellen mit dem Erreichen der 4Kg-Gewichtsmarke weitgehend vollzogen.

Hat eine Meerforelle mit 65cm bereits die 4Kg-Marke erreicht, so hat sie dies in den allermeisten Fällen durch das Fressen von entsprechend großen Futterfischen geschafft.
Erreicht eine Meerforelle die 4Kg-Marke bei einer Länge von durchschnittlich 70cm, so hat sie bei dieser Länge ebenfalls in den allermeisten Fällen jene Umstellung der Ernährung vollzogen.
Auf dieser Basis bezeichnen viele Küstenangler eine Meerforelle ab einem Gewicht von 4Kg als eine „große“ Meerforelle.
Eine gewisse Erkenntnis über die zurückliegende Ernährung einer Meerforelle liefert die Farbe ihres Fleisches. Und so kann man bei den allermeisten Meerforellen oberhalb von 4Kg ein deutlich helleres und weniger stark rötlich gefärbtes Fleisch feststellen, als dies bei den kleineren Meerforellen der Fall ist. Dies liegt an der zunehmend geringeren Aufnahme des Farbstoffes „Beta-Carotin“, welches z.B. signifikant in Tangläufern und Garnelen enthalten ist. Besonders in den Regionen, in denen ein großes Aufkommen an Sandaalen und Heringen vorhanden ist, stellt man fast immer eine sehr helle Farbe des Fleisches bei den großen Meerforellen fest.
Unabhängig ihrer Größe und der Art der Nahrung konnte ich sehr häufig eine gewisse Selektivität in der Nahrungsaufnahme der Meerforellen feststellen. So findet man z.B. entweder 150 Tangläufer oder 50 Garnelen oder 25 Ringelwürmer oder 15 Sandaale oder 5 große Heringe im Magen einer Meerforelle. Die deutlich gemischte Nahrungsaufnahme konnte ich eher selten beobachten.






Verhalten der großen Meerforellen

Mit fortschreitender Ernährungsumstellung einhergehend ändert sich auch das Verhalten der Meerforellen. Während die großen Meerforellen die Sandaale das ganze Jahr über im ufernahen Küstenbereich finden können, halten sich die Heringe eher selten in unmittelbarer Ufernähe auf. Aus diesem Grund verlassen die Meerforellen mit zunehmender Größe immer häufiger den Uferbereich und jagen weiter draußen im oft tieferen Meereswasser nach ausgewachsenen Heringen. Genau hier draußen haben die Trollingangler regelmäßig die Chance, gleich mehrere große Meerforellen zu fangen – ein von der Küste aus höchst selten mögliches Fangerlebnis.
Doch zu den Zeiten im kalten Frühjahr, in denen die Heringe auf ihren Laichzügen vorübergehend auch in Ufernähe anzutreffen sind, steigen auch für den Küstenangler die Fangchancen auf eine große Meerforelle.
95% der an der Küste gefangenen großen Meerforellen, deren Mageninhalt ich sehen konnte, hatten entweder nichts (ca. 60%), Heringe (20%) oder Sandaale (20%) im Magen. Im Gegensatz zu den Sandaalen waren die Heringe zumeist deutlich angedaut – also bereits vor einer Weile (vermutlich entsprechend weiter draußen) gefressen worden.



Meiner Einschätzung nach kommen die großen Meerforellen im Frühjahr hauptsächlich aus 2 Gründen in das flache Uferwasser:

1. Dem „Tanken“ von UV-Strahlung wegen, welche sie auf der typischen Heringstiefe weiter draußen nur noch sehr abgeschwächt bekommen und

2. dem Fressen von Sandaalen wegen.

Trotz der hohen Präsenz von Tangläufern, Garnelen und ähnlich kleinen Futtertieren im flachen Uferwasser konnte ich diese nur extrem vereinzelt (<5%) in großen Meerforellen finden.
Auffällig häufig zeigten sich die Fänge von großen Meerforellen nach bzw. während dem ersten andauernden Einsetzen der kräftigen Frühjahressonne.
Für mich steht fest: Die großen Meerforellen kommen entweder der UV-Strahlung wegen oder dem Fressen von Sandaalen wegen ins flache Uferwasser.
Und mit viel Glück erlebt man einen der wenigen Tage, an dem sich ein großer Heringsschwarm ins flache Uferwasser „verirrt“ hat.






Die entscheidenen Faktoren

Für uns Angler bedeutet dies im Wesentlichen zwei Anforderungen:

1.    Das notwendige Auslösen eines Beißreflexes bei einer Meerforelle, die sich nicht in einer aktiven Fressphase befindet oder

2.    das Imitieren von Heringen oder - noch besser zum Aufenthalt im Flachwasser passend, von Sandaalen als Futterfisch jener großen Meerforellen.

Den Beißreflex löst man sicherlich am besten dadurch aus, dass man der Nachahmung der natürlichen Beute der Meerforelle möglichst nahe kommt.
Insofern ist das Ziel für einen möglichst guten Fangerfolg also das Nachahmen von einem Sandaal oder eben Hering als besonders typischer Beute der großen Meerforellen.
Die wichtigsten Faktoren, um sich gerade als Fliegenfischer der optimalen Nachahmung von diesen Futterfischen anzunähern, sind:



a) die Einholgeschwindigkeit
b) die Silhouette
c) die Lichtreflexe und
d) das lebhafte Spiel der Fliege.

Darüber hinaus bieten in den meisten Fällen windige Tage mit deutlicher Wellenbewegung und leicht eingetrübtem Wasser die beste Vorraussetzung für die gezielte Jagd nach der einen großen blanken Meerforelle. Häufig konnte ich gerade nach einem Wetterumschwung mit „frisch entstandenen“ deutlichen Wellen den Fang einer großen Meerforelle beobachten.
Diese Situation scheint besonders optimal zu sein. Die gleiche Beobachtung machte über viele Jahre auch der bekannte schwedische Angler und Autor Pelle Klippinge, wie er kürzlich in einem Bericht über das Fangen großer Meerforellen verriet.






Das richtige Gebiet

Auf der einen Seite gibt es Regionen, in denen es reichlich Flüsse mit gutem Bestand an großen Meerforellen gibt, und auf der anderen Seite gibt es Reviere, in denen das zeitweise gewaltige Aufkommen an Heringen und Sandaalen ein optimales Fressrevier für große Meerforellen bietet.
Dementsprechend gibt es Gebiete mit geringeren und Gebiete mit deutlich höheren Fangchancen auf große Meerforellen. Zu meinen persönlichen Lieblingsrevieren gehören z.B. der Stockholm Schärengarten mit einem besonders großen Aufkommen an „Strömmingen“ (Ostseeheringen), Südschweden mit vielen Heimatflüssen großer Meerforellen und Rügen mit einem optimalen Fressrevier voller Heringe und Sandaale in unmittelbarer Küstennähe. Doch auch einzelne Plätze wie z.B. Enebaerodde auf Nordfynen – im Einzugsgebiet der Odense-Au liegend, bieten vergleichsweise bessere Fangchancen auf große Meerforellen wie viele andere Plätze.










Fliegenfischen vs. Spinnfischen

Außer Frage steht, dass die allermeisten großen Meerforellen mit der Spinnrute gefangen werden. Und diese Tatsache begründet sich keineswegs in der höheren Anzahl der Spinnfischer entlang der Küste. Vielmehr bietet das Spinnfischen folgende Vorteile gegenüber dem Fliegenfischen:

1. Es besteht die Möglichkeit der extrem höheren Einholgeschwindigkeit.

2. Die deutlich größeren Köder sind noch gut fischbar.

3. Die erheblich größere Wurfweite ist möglich.

4. Die härteren Wind- & Wellenbedingungen sind noch gut kontrolliert fischbar.

5. Das effektivere Werfen - insbesondere gegen den Wind, ist möglich.

6. Auf den obigen Punkten basierend wird die größere Wasserfläche abgefischt.

7. Die Präsentationstiefe des Köders ist gerade an sehr tiefen Plätzen deutlich variabler. Dies ist besonders während des Einholens ein und desselben Wurfes der Fall.

8. Das erfolgreiche Hakensetzen ist in vielen Situationen aufgrund der härteren Rute und der höheren Einholgeschwindigkeit deutlich einfacher.

9. Der Kontakt zum Köder - insbesondere der Sofortkontakt nach dem Aufsetzen, ist leichter zu halten bzw. schneller herzustellen.

10. Tiefe Plätze mit klarem Wasser sind mit guten Erfolgsaussichten effektiv befischbar. Mit der Fliegenrute hat man an solchen Plätzen oft wenig Erfolg (hierzu später mehr).

11. Das Potential des Spinnfischens ist viel leichter nutzbar, da der effektive Einsatz mit der Spinnrute erheblich leichter und schneller erlernbar ist.



12. Angeln Fliegen- und Spinnfischer dicht zusammen, hat der Spinnfischer seinen Köder oft zuerst bei der Meerforelle.

13. Es besteht eine erheblich geringere Gefahr des Knotenwerfens. Und gerade die typischen „Windknoten“ im Vorfach des Fliegefischers sind ein nicht zu unterschätzender Schwachpunkt für den Fang einer großen Meerforelle.

14. Das Anbieten großer Naturköder wie z.B. dem Sandaal stellt für das Angeln mit der Spinnrute eine besonders erfolgreiche Methode dar.

15. Das Spinnfischen vom Boot aus ist im Vergleich zum Fliegenfischen erheblich effektiver. Beim Fliegenfischen hat man oft nur einen Wurf, bevor das Boot erneut „verholt“ (neu positioniert) werden muss. Beim Spinnfischen kann man das Boot entsprechend der durchschnittlich vierfachen Wurfweite erheblich weiter vor der Uferkante stoppen und hat so ein größeres Zeitfenster, bevor der auflandige Wind das Boot auf die Klippen schiebt.  

Meiner Erfahrung nach ist der größte Schlüsselpunkt für den Fangerfolg großer Meerforellen, wie auch der Meerforellen insgesamt, die Einholgeschwindigkeit. Für viele (natürlich nicht alle) Situationen an der Küste gilt:
Je höher die Einholgeschwindigkeit, desto besser das Fangergebnis.

Die höheren Fangzahlen großer Meerforellen beim Spinnfischen lassen sich also sehr plausibel begründen.
Doch auf der anderen Seite steht der direkte und irgendwie faszinierende Kontakt über die Fliegenschnur, wenn eine große Meerforelle die Fliege nimmt. Für viele Fliegenfischer markiert dies Erlebnis einen der schönsten Momente des Küstenangelns.






Die richtige Taktik mit der Fliegenrute

Mit der Fliegenrute gezielt auf große Meerforellen an der Küste zu fischen, bedeutet seinen Fangerfolg - über einen längeren Zeitraum betrachtet, zu optimieren. Denn der Fang einer großen Meerforelle bleibt zumindest für den Fliegenfischer immer ein ganz besonderer und eher seltener Moment des Glücks.
Doch mit einer Reihe von Optimierungen kann man dieses Glück nachhaltig beeinflussen. Im Folgenden finden Sie eine Auflistung von verschiedenen Tipps für das gezielte Fischen auf große Meerforellen:

1. Holen Sie ihre Fliege mit möglichst hoher Einholgeschwindigkeit ein!

2. Wenn Sie neu an einen Platz kommen, strippen Sie die ersten Würfe ohne die Verwendung eines Schnurkorbes mit langen und extrem schnellen Zügen ein.

3. Optimieren Sie Ihre Rutenhaltung für das schnelle Einholen der Fliege. Siehe hierzu die >>FC-Griffhaltung.

4. Waten Sie möglichst „aggressiv“, das heißt versuchen sie noch den letzten Stein eines Riffes zu erreichen oder „einfach“ auf einen weiter draußen liegenden Stein zu gelangen, um mehr Fläche Richtung tiefer werdendes Wasser oder eine weitere attraktive Wanne im Boden abzufischen.

5. Fischen Sie „hart am Wind“ und lassen sich nicht durch die eingeschränkte Wurfweite abschrecken.

6. Suchen Sie leicht eingetrübtes Wasser.

7. Suchen Sie nach flachen Riffen mit guten Tiefenkanten und davor liegenden Wannen und Löchern im Kantenbereich des Riffes.

8. Suchen Sie bevorzugt nach Plätzen mit Strömung.

9. Konzentrieren Sie sich darauf, möglichst sofort nach dem Aufsetzen den optimalen Kontakt zur Fliege herzustellen.

10. Fischen Sie auf jeden Fall einige Würfe durch das flache unmittelbare Uferwasser. Gerade im kalten Frühjahreswasser konnte ich hier einige besonders starke Meerforellen verführen. Es gilt: Je flacher die Meerforelle steht, desto besser ist oft ihr Beißverhalten.



11. Die Fliege sollte unter Wasser eine möglichst große Silhouette, ein möglichst lebhaftes Auf- und Abspiel („Jigging“) und gut sichtbare Lichtreflexe zeigen.

12. Ferner sollte sich die Fliege möglichst gut auf Distanz werfen lassen, ohne dabei zu vertüddeln („einzutailen“). Sehr hilfreich für die Streckung des Vorfaches beim Distanzwurf wie auch für das lebhafte Spiel ist eine Bleibeschwerung im Frontbereich der Fliege.

13. Verwenden Sie stets optimal scharfe Haken. Schärfen Sie nicht nach, sondern wechseln die Fliege!

14. Verwenden Sie einen Schlaufenknoten zum Anknoten der Fliege, um das lebhafte Auf- und Abspiel noch zu verstärken.
 
15. Meiden Sie Plätze mit sehr tiefem klarem Wasser - auch, wenn hier regelmäßig Spinnfischer gut fangen mögen. Die Meerforelle hat in entsprechenden Situationen zu viel Zeit und Möglichkeiten der vermeintlichen Beute (also der Fliege) den einzigen Fluchtweg in die Tiefe gesichert abzuschneiden. Es besteht kein Grund für ein sofortiges Zupacken mehr! Erfahrungsgemäß bekommt man an entsprechenden Plätzen eher mal eine Meerforelle, die der Fliege selbst bei sehr schneller Führung einfach nur folgt und sie nicht nimmt.

16. Erneuern Sie regelmäßig ihr Vorfach, und gehen Sie nicht unter 0,25mm Spitzendurchmesser. Fischen Sie niemals weiter, wenn Sie einen Knoten im Vorfach haben!

17. Verwenden Sie eine Sinkschnur, um die Chancen des erfolgreichen Hakensetzens zu erhöhen. Denn tiefer geführte Fliegen werden oft besser genommen. Weiterhin bewahren Sie sich so die Möglichkeit, die Fliege auch kurzfristig tiefer anbieten zu können.

18. Passen Sie Ihr Schnursystem optimal an das Werfen auf Distanz und bei deutlichem Wind an.

19. Verwenden Sie „Clear“-Schnüre, um den Schattenwurf der Fliegenschnur zu reduzieren.

20. Suchen Sie nach entsprechenden Plätzen, die oft Fänge großer Meerforellen hervorbringen.






Verhaltensabgrenzung Aufsteiger und Absteiger

Große im Laichkleid befindliche Meerforellen, die  sich vor ihrem Aufstieg in ihren Heimatfluß befinden,  verhalten sich  grundsätzlich anders als die blanken >>Überspringer im Frühjahr.  Diese sogenannten Aufsteiger-Meerforellen sind nicht mehr so fixiert auf das Fressen von Heringen und Sandaalen. Sie stellen ihre Ernährung mehr und mehr ein und nehmen ab und zu noch Kleinstnahrung zu sich. Aus diesem Grunde ist das Fliegenfischen auf diese Meerforellen vergleichsweise sehr erfolgreich.
Doch auch hier gilt:
Eine große Meerforelle ist immer ein eher seltenes und sehr besonderes Fangerlebnis!

Den einzigen Unterschied bilden hier die Meerforellen, welche frisch vom Laichen aus dem Süßwasser zurückgekehrt sind. Diese halten sich dicht unter Land auf und fressen oft während einer "Wiedereingewöhnungsphase" gezielt Kleinstnahrung. Hier kann man auch beim Fliegenfischen durchaus einmal eine Reihe großer Meerforellen fangen.
Die meisten Küstenangler sind jedoch aus gutem Grunde hinter den besonders feisten Überspringern her!

Noch einige Worte zum Ende

Nicht vorrangig die Größe der gefangenen Meerforelle, als viel mehr die gesamte Leidenschaft beim Küstenangeln macht all die besonderen Moment aus, die man an der Küste immer wieder erleben kann. Dennoch sind es für mich selbst immer wieder ganz besondere Momente, wenn eine große Meerforelle meine oder die Fliege eines Mitangelnden nimmt. Vielleicht konnte ich Sie mit diesem Bericht ein wenig inspirieren, sich einmal den rauen Bedingungen jener typischen Fangtage für große Meerforellen zu stellen, und Ihr Glück gezielt zu provozieren!?
Ich wünsche Ihnen einen besonders kräftigen Zug am anderen Ende der Schnur!

Herzlich Ihr und Euer
Bernd Ziesche





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