- Zweihandwerfen -

Verschiedene Wurfstile, und worauf es tatsächlich ankommt!

Viel wurde und wird über die verschiedenen Wurfstile des Zweihandwerfens geschrieben. Unterschieden wird dabei hauptsächlich zwischen dem traditionellen Spey Casting Stil, dem Scandinavien Casting Stil und dem Skagit Casting Stil. Darüber hinaus gibt es noch weitere Stilrichtungen wie z.B. den Fulcrum Casting Stil.

Aber worum geht es beim Zweihandwerfen eigentlich im Wesentlichen?

Mit dem folgenden Bericht möchte ich ein wenig Licht ins Dunkel  bringen:

Unabhängig vom Wurfstil ist es stets unser Hauptziel, unsere Fliegenschnur in angemessener Schnurgeschwindigkeit und passender Schlaufenform auf der optimalen Flugbahn zu werfen, so dass unsere Fliege sicher im Ziel landet.

Unsere Fliegenrute nutzen wir, um die Schnurgeschwindigkeit, die Schlaufenform und die Flugbahn möglichst effizient produzieren und steuern zu können. Insbesondere die vergleichsweise zur Einhandrute lange Zweihandrute erlaubt uns das Erzeugen von sehr hohen Schnurgeschwindigkeiten.

Ein einfaches Konzept des Fliegenwerfens lautet:

"Rotation macht die Geschwindigkeit."

Je nachdem, über welchen Arbeitswinkel (Winkel zwischen den Stopp-Punkten) wir die Fliegenrute rotieren (oder anders formuliert: kippen), resultiert ein kürzerer oder längerer Beschleunigungsweg für die Rutenspitze.  Die Größe des Arbeitswinkels (also die Stopp-Punkte) und den Krafteinsatz für die Rotation passen wir der gewünschten Schnurgeschwindigkeit entsprechend an.

Wir rotieren also die Fliegenrute, um die gewünschte Geschwindigkeit zu erzeugen. Als Konsequenz dieser Rotation biegt sich die Fliegenrute während der Beschleunigung dieser und stellt sich anschließend (während des Anhalteweges) wieder gerade.



Ein weiteres einfaches Konzept des Fliegenwerfens lautet:

"Die Fliegenschnur folgt im Wesentlichen dem Beschleunigungsweg der Rutenspitze, den diese während des Beschleunigungsweges (bis zur wieder gerade gestellten Rute) und während des Anhalteweges (Überschwingen der Rute) beschreitet."

Der theoretisch optimale Weg der Rutenspitze für das Werfen einer engen Schlaufe ist eine annähernd gerade Linie während der Beschleunigung und während des Anhaltens (bzw. Stoppens) dieser.

Als Faustregel gilt:
Je kleiner der Arbeitswinkel zwischen den Stopps, desto dichter entlang einer geraden Linie verläuft der Weg der Rutenspitze (was wie erwähnt die Vorraussetzung für die enge Schlaufe ist).

Wir passen also den Arbeitswinkel und den Krafteinsatz für die Rotation primär an die gewünschte Schnurgeschwindigkeit und sekundär an die passende Schlaufenform (beim Zweihandwerfen zumeist die enge Schlaufe) an. Zusätzlich passen wir den Arbeitswinkel an die Flugbahn an. Möchten wir z.B. vorne tief und hinten hoch (hohes Ufer) werfen, so kippen wir den Arbeitswinkel nach vorne (z.B.: 10Uhr/12Uhr Stopp-Punkte).

Da wir je nach Wurfstil den Drehpunkt der Fliegenrute beim Rotieren dieser zumeist nicht konstant in einem Punkt halten, ergibt sich hier noch eine zusätzliche Steuergröße: "Rotation zur richtgen Zeit". Gerade bei einem längeren Zugweg der Rute (wie oft beim traditionellen Speycasting zu sehen), bringt ein etwas verzögertes Kippen der Rute auf dem Beschleunigungsweg dieser eine noch engere Schlaufe, weil die Rutenspitze noch etwas dichter entlang der geraden Linie geführt wird.
Der Zugweg ist der Weg des Drehpunktes der Rute zwischen den Stopp-Positionen. Über die genaue Positionierung der Rotation auf dem Beschleunigungsweg der Rute, können wir also zusätzlich die Schlaufenform steuern.

Noch einmal: "Rotation macht die Geschwindigkeit!"

Aus diesem Grund ist es sehr sinnvoll, die Rute mit der unteren Hand (linke Hand beim Rechtshänder, sofern man die Rute rechts führt) ganz am Ende festzuhalten. Quasi direkt auf oder am "Fighting Butt".








Für die Beschleunigung der Rutenspitze rotieren wir somit die Rute von ganz unten heraus und nutzen so die volle Länge der Rute für das Erzeugen der passenden Schnurgeschwindigkeit aus.

An dieser Stelle sei noch einmal explizit erwähnt, dass wir die Rute NICHT aufladen - also potentielle Energie zwischenspeichern - wollen oder gar müssen! Die Rutenbiegung ist nur die logische Konsequenz aus der Rotation der Rute. Allerdings hilft uns das Biegeverhalten der Rute durchaus, um die Rutenspitze (während der Beschleunigung) besser entlang einer Geraden führen zu können. Dies gilt insbesondere, je länger der Beschleunigungsweg (also je größer der Arbeitswinkel) wird.

Die soweit beschriebenen Abhängigkeiten bzw. Steuergrößen für den Zweihandwurf gelten für ALLE Wurfstile!
Nachfolgend ein paar Worte zu den unterschiedlichen Stilrichtungen des Zweihandwerfens:

Am Anfang stand das traditionelle Spey Casting, welches am River Spey in Schottland erfunden wurde. Dieser Stil ist quasi die Mutter aller heutigen Zweihandwurfstile.
Der traditionelle Spey Caster Michael Evans z.B. verwendete überwiegend relativ hohe Schnurlängen außerhalb seiner Rutenspitze. Hierfür dienten zunächst Double Taper Schnüre und später Longbellyschnüre mit mehr als 20 Meter Keulenlänge, die es (aufgrund der Länge) mit entsprechend hoher Geschwindigkeit zu werfen galt. Dies erforderte geradezu lange Fliegenruten (16-18 Fuß) und entsprechend mehr Kraftaufwand für die Rotation! Michael dosierte seine Kraft für die Rotation der Rute gleichmäßig über beide Hände - also die obere und die untere Hand. Hierfür umfasste er seinen Rutengriff zumeist mit der jeweils ganzen Hand und nutzte zusätzlich relativ lange Rutengriffe, welche mehr Platz zwischen den Händen erlaubten, um hier durchaus auch einmal effektiv die Maximalkraft für die Rotation der Rute anwenden zu können.
Den Arbeitswinkel wählte Michael entsprechend groß. Zu einem solchen Arbeitswinkel passte das Biegeverhalten von relativ weichen Ruten am besten. Die zwei ursprünglichen Würfe waren der Single und der Double Spey Cast. Um es in den Worten von Michael Evans selbst zu schreiben: "Traditional Spey casting was all about lifting and sweeping a fixed lengths of line and making the biggest D-Loop you had room for."
Natürlich ist dies nicht schwarz oder weiß zu verstehen, und auch Michael Evans ließ ggf. Schnur schießen, um einen Lachs auf noch größerer Distanz anfischen zu können. Ebenso konnte er natürlich jederzeit die Schnur verkürzen, um einen Lachs auf kurzer Distanz anfischen zu können. Sehr charakteristisch war der deutliche Richtungswechsel in nur einem einzigen Aufnehmen und Ablegen der Schnur - also einem Wurf. Diese Wurftechnik ließ sich bei vielen Würfen mit den Schritten: "Lift, Sweep, Cast" bestens beschreiben.



Der skandinavische Double Hand Caster Göran Andersson z.B. verkürzte seine Schnurkeulen zunehmend auf eine Länge von vielfach um die 10-12 Meter Länge. Für noch mehr Flexibilität verwendete er Schussköpfe mit einer eingeschlauften Schussleine. Göran umfasste (hielt) seine Ruten unten und oben nur mit jeweils dem Daumen und dem Zeigefinger. Durch diese Griffhaltung war es ihm optimal möglich, die Rute von ganz unten heraus zu rotieren. Die obere Hand nutzte er überwiegend, um den vergleichsweise kompakten Arbeitswinkel zu steuern, während er die untere Hand überwiegend nutzte, um die Rotationsgeschwindigkeit zu dosieren.
Göran fischte zumeist vergleichsweise zum traditionellen Spey Caster steifere und kürzere Ruten zwischen 13 und 15 Fuß Länge. Diese paßten optimal zu dem kompakteren Arbeitswinkel. Aufgrund der relativ kurzen Schussköpfe schoss Göran zumeist eine vergleichsweise hohe Schnurmenge (Schussleine) in den finalen Wurf, um seine Fliege auf die typischen Distanzen beim Lachsfischen zu bringen. Natürlich konnte auch Göran jederzeit auf kurze Distanz fischen, ohne zusätzliche Schnur in den Wurf zu schießen. Göran selbst bezeichnete seinen Stil zunächst als Andersson Technique und/oder als Underhand Casting.
Viele andere bekannte skandinavische Fliegenfischer wie z.B. Henrik Mortensen oder Trond und Knut Syrstad folgten diesem Namen nicht, und so verbreitete sich der Begriff skandinavischer Wurfstil erheblich stärker.
Auch diese Wurftechnik konnte bei vielen Würfen durchaus immernoch gut passend mit den Schritten: "Lift, Sweep, Cast" beschrieben werden.

Der Skagit Caster Ed Ward z.B. verwendete ein sehr spezielles Schnursystem, bestehend aus einer kurzen Hauptkeule von 6-9 Meter Länge und einer eingeschlauften relativ dünnen (langen) Spitze von 3-6 Meter Länge.
Im Vergleich zum typisch traditionellen und zum typisch skandinavischen Schnursystem lag das Hauptwurfgewicht im Skagitschnursystem auf der kurzen Hauptkeule. Das Gesamtgewicht lag darüber hinaus im Vergleich zu den anderen Stilen (bei gleicher Rutensteifigkeit) deutlich höher (+ 5-8 Gramm).
Aufgrund der kurzen Hauptkeule blieb das hauptsächliche Wurfgewicht auch bei sehr langsamen Rutenbewegungen ("Sweeps") stets über der Wasseroberfläche, denn die Hauptkeule war kaum länger als die Distanz Rutenspitze zur Wasseroberfläche bei vertikaler Rutenstellung!
Dies erlaubte ein weniger kritisches Timing und stellte einen deutlichen Vorteil beim Erlernen dieser Wurftechnik dar.
Ed beschrieb seinen Anker zumeist als sogenannten "sustained anchor" (beständiger Anker). Dies resultierte schlicht aus dem langsameren Bewegungsablauf, was der häufig sinkenden (langen, dünnen) Spitze vor der Hauptkeule ein Einsinken erlaubte. Die lange Spitze verhinderte, dass der Anker (die im Wasser befindliche dünne Schnurspitze der D-Schlaufe unterhalb der Rutenspitze) zu stark nach hinten durch rutschen konnte, sobald der Vorwurf ausgeführt wurde.
Ed verwendete vergleichsweise relativ kurze (und oft weichere) Zweihandruten und konnte trotz dieser relativ leichten Ruten sehr gewichtige Fliegen erfolgreich über das zur Fliege passende (höhere) Schnurgewicht werfen. Die Rotationsgeschwindigkeit dosierte Ed ebenfalls hauptsächlich über die untere Hand, während die obere Hand hauptsächlich den Arbeitswinkel kontrollierte.






Im Hinblick auf die vielen Namen der heute bekannten einzelnen Würfe und Stilrichtungen erscheint mir eine Frage als sehr fair:

Was haben all diese Wurftechniken gemeinsam?

Für mich ist dies eine D-Schlaufe (D-Loop) als Rückwurf, welche auf der Wasseroberfläche ankert und nicht vollständig abrollt.

Die Erfolgskonzepte lauten:

1. Den Ankerwiderstand gerade groß genug halten, so dass der Anker bei der Ausführung des Vorwurfes nicht zu stark nach hinten durch rutscht (wodurch der Wurf vorne zusammenbrechen würde).

2. Entsprechend dem zur Verfügung stehenden Platz die größt mögliche D-Schlaufe formen.

3. Die D-Schlaufe in einer Ebene mit dem Vorwurf halten.

4. Die Schnurgeschwindigkeit, die Schlaufenform, die Flugbahn und den Richtungswechsel an die Situation anpassen.

Darüber hinaus kann man jederzeit Schnur schiessen lassen, um die Wurfdistanz zu erhöhen, oder je nach Situation eine fixe Schnurlänge außerhalb der Rutenspitze umpositionieren.

Ich selbst gebe meinen größten Kredit an jene Spey Caster, welche die gesamte Reise vor langer Zeit am River Spey in Schottland starteten und ordne alle heutigen Stile und Variationen der Familie des Spey Castings zu. Die fundamentalen Erfolgskonzepte sind aus meiner Sicht immernoch die Gleichen geblieben.
Das Konzept: "Lift, Sweep, Cast" finden wir in allen Stilrichtungen wieder!

Natürlich sind all die verschiedenen Spey Casting Techniken keineswegs an eine ganz bestimmte Rutenlänge, Rutensteifigkeit, Keulenlänge oder Keulengewicht gebunden. Aber es empfiehlt sich wie in allen anderen Bereichen des Fliegenwerfens auch, seine Wurftechnik und das verwendete Gerät möglichst gut aufeinander abzustimmen.
 
Wenn man mich heute regelmäßig fragt, mit welcher Technik man die zügigsten Lernfortschritte macht, und mit welcher Technik man hingegen die größere Übung benötigt, um die Fliege ins Ziel zu bringen, so gilt für mich:

Je kürzer die Schnurkeule, desto unkritischer ist das Timing im Wurfablauf.

Speziell für das Skagit Casting sei erwähnt, dass die erhöhte Schnurmasse durchaus Distanzwürfe und das Werfen gewichtiger Fliegen begünstigt.

Dafür kann man wiederum mit der langen Schnurkeule des traditionellen Spey Castings die Fliege etwas zügiger in die potentielle Bisszone umpositioneren, denn hier muss weniger Schnurmenge eingeholt werden, um diese danach wieder in den Wurf ein zu schießen.
Beim Timing bleibt hier allerdings nahezu kein Spielraum, und genau deswegen bedarf es einer erheblich besseren Schnurkontrolle bei der Verwendung von  sehr langen Schnurkeulen.

In diesem Sinne wünsche ich Euch eine gute Wahl bei dem für Eure Situation optimal passendem Gerät und viele tolle Würfe an Eurem Fischwasser. Und wer weiß, vielleicht steigt am Ende sogar ein Lachs oder vielleicht eine Steelhead nach Eurer Fliege. Ich wünsche es Euch!

Herzlich Euer
Bernd Ziesche


Noch ein kleiner Hinweis:

Der Drehpunkt beim Zweihandwerfen liegt nicht wie in einigen Stilrichtungen vielfach beschrieben in der oberen Hand, sondern die Position des Drehpunktes verändert sich je nach Wurfablauf zumeist kontinuierlich. Die Beschreibung, die obere Hand als Drehpunkt oder Gelenk zu verwenden entspricht also nicht der Realität. Ebenso ist es technisch unmöglich, keine Kraft über die obere Hand anzubringen. Es ist im Falle des skandinavischen Stiles fair zu schreiben, man steuert über die obere Hand überwiegend (aber nicht ausschließlich) den Arbeitswinkel (und hierfür setzt man natürlich ebenfalls Kraft über die obere Hand ein), während man über die untere Hand überwiegend (aber ebenfalls nicht ausschließlich) die Rotationsgeschwindigkeit dosiert.

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