Schusskopfsystem oder Vollschnur?
 



„Welche Fliegenschnur benötige ich:
Ein Schusskopfsystem oder eine Vollschnur?“

Eine Frage, welche sich viele Fliegenfischerinnen und Fliegenfischer (und längst nicht nur während der Einstiegsphase in das Fliegenfischen) stellen.
Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die konkreten Unterschiede – also die genaue Definition, werfen.
Das Schnurprofil (der Verlauf im Schnurdurchmesser über die gesamte Schnurlänge) lässt sich für beide Sorten Schnursysteme wie folgt darstellen:

Vollschnur:

Parallelspitze (Level Tip) + Keule (Belly) + Nachschnur (Rear Taper) + Schussschnur (Shooting Line)

Schusskopfsystem:

Parallelspitze (Level Tip) + Keule (Belly) + "optional" Nachschnur (Rear Taper) = Schusskopf (Shooting Head) + Schussschnur (Shooting Line)

Tatsächlich bietet der heutige Markt derart viele verschiedene Schnurprofile im Bereich der Vollschnüre an, dass kaum noch ein Profilverlauf denkbar ist, den es nicht bereits irgendwo gibt.
Im Bereich der Schussköpfe ist die Variation nicht weniger groß, und so wurde nahezu jedes erdenkliche Schnurprofil schon einmal von irgendwem für die Herstellung eines Schusskopfes zu Grunde gelegt.
Doch wo – wenn nicht im Verlauf des Schnurprofils, liegt nun der genaue Unterschied zwischen den beiden Schnursystemen?

Bei der Vollschnur handelt es sich um eine durchgehende Schnur, während bei dem Schusskopfsystem eine Verbindung zwischen dem Schusskopf und der Schussschnur besteht, die ein schnelles separates Auswechseln des Schusskopfes ermöglicht. Der Schusskopf ist dabei der Schnurbereich, welcher das zur Rute und zum Wurf passende Wurfgewicht ausmacht.
Die Schussschnur ist typischerweise in ihrem Durchmesser konstant (Parallelschnur). In den meisten Situationen verwendet man eine Schussschnur, die erkennbar dünner ist, als der Schusskopf.
Ein großer Irrtum besteht darin, zu glauben, dass ein Schusskopf grundsätzlich nicht besonders lang ist. Schussköpfe können durchaus 20m lang sein. Und ebenso kann die Keule einer Vollschnur 6m kurz sein.

Welche Vorteile bietet das Schusskopfsystem?

Mit der Verwendung ein und derselben Schussschnur kann man mittels schnellen Wechselns des Schusskopfes in den unterschiedlichsten Situationen am Fischwasser optimal fischen.
Der für die einzelnen Schussköpfe in der Weste benötigte Platz ist entsprechend geringer, als dies für mehrere Vollschnüre der Fall wäre.
So kann man zum Beispiel beim Lachsangeln zwei Rollen mit jeweils einer Schussschnur bestückt mit sich führen. Je nach Wassersituation am Lachsfluss montiert man kurzfristig einen schwimmenden und einen langsam sinkenden oder einen langsam sinkenden und einen schnell sinkenden Schusskopf. Auf diesem Weg hat man mit wenig Aufwand immer zwei Schnursysteme für den kurzfristigen Einsatz parat.






Die Situation an der Küste

Die typische Länge der an der Küste verwendeten Schussköpfe liegt bei 8-12m, und die typische Kopflänge der an der Küste verwendeten Vollschnüre liegt ebenfalls bei 8-12m.
Bei den Schusskopfsystemen finden sehr häufig sogenannte „monofile“ (aus einem Material bestehende) Schussschnüre ihre Anwendung. Diese zeichnen sich durch eine vergleichsweise geringe Reibung in den Rutenringen während des Schnur Schießen Lassens aus. Sie weisen zumeist eine sehr glatte Oberfläche und einen sehr geringen Durchmesser auf. Mit einer entsprechenden Schussschnur hat man also eine sehr gute Vorraussetzung für extreme Distanzwürfe - gerade mit dem Wind im Rücken, geschaffen.
Die meisten am Markt erhältlichen Vollschnüre hingegen weisen eine deutlich voluminösere Schussschnur auf. Dadurch werden sie bei starken seitlichen Winden im Distanzwurf signifikant stärker aus der geraden Flugbahn heraus verdriftet.
Beim Fischen inmitten größerer Wellen wird die dünne Schussschnur weniger stark mit der Teilchenbewegung der Wellen auf und ab bewegt. Es ergibt sich mit der dünneren Schussschnur also in vielen Situationen der etwas bessere Kontakt zur Fliege.
Wer gerne mit einer klaren („clear“) Fliegenschnur fischen möchte, der ist gut beraten, sich ein Schusskopfsystem zu basteln. Denn die Schussschnüre an den Clear-Vollschnüren weisen keine besonders guten Eigenschaften für Distanzwürfe und für einen guten Kontakt zur Fliege auf. Ein Clear-Schusskopf an einer monofilen Schussschnur eingeschlauft allerdings, stellt an der Küste ein in sehr vielen Situationen sehr gut funktionierendes Schnursystem dar. Natürlich kann man die Verbindung zwischen dem Clear-Schusskopf und der monofilen Schussschnur auch „schweißen“.



Man erhält in dem Fall eine selbst angefertigte Vollschnur mit der charakteristischen statischen Verbindung zwischen dem Kopf und der Schussschnur.
Ich selbst möchte gerade „das Klappern“ der Schlaufenverbindung in den Rutenringen, welches mir selbst bei geschlossenen Augen verrät, wann mein Schusskopf zur Rute raus ist, nicht missen! Einige Vollschnurhersteller steuern hier mittels Verwendung zweier oder sogar dreier unterschiedlicher Farben für die Keule, ggf. die Nachschnur und die Schussschnur gegen. Solange man beim Werfen auf die Schnur schaut, funktioniert dies sicherlich sehr gut. Ich selbst suche lieber die Wasseroberfläche nach einer guten Meerforelle ab!










Unabhängig davon, ob Sie sich für die Verwendung eines Schusskopfsystems oder einer Vollschnur entscheiden, möchte ich Ihnen einen Grundgedanken mit auf den Weg geben:
Beim Einsatz von kurzen Köpfen oder Keulen, mit abrupter Verjüngung zur Schussschnur, werden Sie kaum viel mehr als die Kopflänge mit Leerwürfen in der Luft zu führen lernen.
Bei der Verwendung von längeren Köpfen oder Keulen, mit sanfter Verjüngung zur Schussschnur hingegen, lassen sich oft größere Wurfweiten erzielen, indem Sie deutlich mehr Schnurmenge als nur den Kopf oder die Keule mit Leerwürfen in der Luft zu führen lernen. Sie erzielen dadurch automatisch einen wichtigen Trainigseffekt.
Im Gegensatz zu den kurzen Köpfen oder Keulen mit abrupter Verjüngung zur Schussschnur reißt der Kontakt zum „Wurfgewicht“ (also dem Kopf bzw. der Keule selbst) bei  sanft verjüngten längeren Köpfen oder Keulen nicht so leicht ab.
Dafür wird allerdings das werferische Handling an windigen Tagen mit zunehmender Schnurlänge in der Luft oft deutlich schwieriger. An windstillen Tagen hingegen begünstigt die voluminösere Schussschnur und die längere und sanft verjüngte Keule die Streckung des Wurfes.
Im Optimalfall verwendet man also einen kürzeren Kopf bzw. eine kürzere Keule im Einsatz an der zumeist windigen Küste und einen längeren Kopf bzw. eine längere Keule mit möglichst sanfter Verjüngung für das reine Wurftraining auf der Wiese.



Noch ein Tipp:
Wenn Sie auf den ersten Metern der Schussschnur hinter der Keule Ihrer Vollschnur deutliche Verschleißerscheinungen (Ummantelung löst sich ab) feststellen, schneiden Sie die Keule ab und basteln eine Schlaufe an das Ende der Keule. Von der Schussschnur schneiden Sie den verschlissenen Bereich ab und basteln ebenfalls eine Schlaufe an das Ende der Schussschnur. So haben Sie aus Ihrer Trainiungsschnur ein Schusskopfsystem hergestellt, welches Ihnen zukünftig in vielen Situationen beim Fischen Freude bereiten wird!

Ich wünsche Ihnen, dass die Forelle steigt!

Herzlich Ihr und Euer
Bernd Ziesche


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