Ein neuer Trend an der Küste?



Ich erinnere mich noch sehr gut daran, welch Leserbrief-Welle des Widerspruches  mir entgegen  schwappte, nachdem ich in der Zeitschrift "Der Fliegenfischer" das erste Mal über das Meerforellenfischen an der Küste mit vergleichsweise großen Fliegen geschrieben hatte. Diese wären zu schwer zu werfen und würden zu vielen Fehlbissen führen. Und das war fair! Denn auch ich brauchte einige Zeit, um die optimale Geräteabstimmung zu finden und die zunächst typischen Fehlbisse beinahe vollständig zu eliminieren.
Auch erinnere ich mich noch sehr gut an die ersten Reaktionen, nachdem ich das erste Mal das Gewicht meiner Küstenfliegen auf eine Kommastelle genau angegeben hatte, um die Basis eines Vergleiches zu schaffen. Natürlich wirkt solch Angabe zunächst etwas überakribisch und gewissermaßen polarisierend. Doch mit einiger Erfahrung läßt es sich genau beziffern, welche Fliegengewichte sich mit welchen Schnurgewichten bestens werfen lassen, und wo man an die Grenzen des entspannten Werfens kommt.
Ebenso wurde meine Methode des extrem schnellen Einholens kontrovers diskutiert. Zu anstrengend und überhaupt nicht notwendig wußten einige erfahrene Küstenfliegenfischer zunächst richtig zu berichten. Eine entsprechende Methode bedurfte einer deutlichen Gewöhnungsphase. Ich erinnere mich noch sehr gut, dass ich anfänglich kaum länger als eine knappe Viertelstunde derart schnell einholen konnte.
Mittlerweile sind die heißen Diskussionen in obigen Thematiken zunehmend abgekühlt, und jene - seinerzeit neue - Trends sind vielfach zur gängigen Küstenpraxis geworden. Möglicherweise brauchen wir einfach unsere Zeit, um neue Methoden zu adaptieren und die Vorteile nutzen zu können.

Nun aber mehr zu meinen jüngsten Erfahrungen mit dem Küstenfischen mit Sinkschnüren in vergleichsweise hohen Sinkraten.

Merkmale der Sinkschnur

Was ist nun eigentlich eine Sinkschnur?
Hierbei handelt es sich um eine Fliegenschnur mit einer höhren Dichte als die des jeweiligen Wassers. Eine sogenannte "Intermediate"-Schnur ist also ebenfalls eine Sinkschnur. Es gibt einerseits Schwimmschnüre und andererseits Sinkschnüre in verschiedenen Sinkraten.  Die Dichte von Schwimmschnüren liegt in der Regel deutlich unterhalb der Dichte des Wassers.

Die aktuelle Küstenlage

An der Küste treffe ich überwiegend auf Schwimmschnüre und langsam sinkende Schnüre in den Sinkraten 1 bis maximal 3. Dies liegt zweifelsohne daran, dass eine Sinkrate von 4 oder gar höher ein sehr schnelles Einholen vorraussetzt, da die (bei mittlerweile vielen Fliegenfischern bleibeschwerte) Fliege an den meisten Angelstellen sonst schnell im Grund fest hängt. Ebenso sehe ich die meisten Fliegenfischer ggf. erst den Knoten in der Schußleine entknoten, bevor sie die Schnur weiter einholen. Auch dies funktioniert bei entsprechend schnell sinkenden Fliegenschnüren nicht mehr. Ich selbst hole ohnehin zuerst vollständig ein, denn es könnte gerade ein guter Fisch folgen, weshalb ich den Kontakt zu meiner Fliege nicht einen Moment verlieren möchte.
Derzeit sehe ich Sinkschnüre in den höheren Sinkraten allenfalls einmal an exorbitant tiefen Angelstellen zum Einsatz kommen.






Vorteile der Sinkschnur > Sink 3

Die Vorteile, welche der Einsatz einer solchen Sinkschnur mit sich bringt, sind durchaus deutlich:

1. Sinkschnüre zeigen insbesondere ein besseres finales Abrollen, was eine optimal gestreckte Präsentation der Fliege deutlich begünstigt.

2. Sinkschnüre lassen sich bei jedem Wind weiter werfen.

3. Sinkschnüre sind insbesondere gegen den Wind ein deutlicher werferischer Pluspunkt in Sachen Wurfweite und Schnurstreckung.

4. Sinkschnüre laufen tiefer und sind dadurch oft weniger leicht gegen den hellen Himmel ausmachbar als Schwimmschnüre. Dies kann einen deutlichen Unterschied ausmachen, wie ich aus der karibischen SICHT-fischerei berichten kann.

5. Die Fliege wird dort angeboten, wo sich die Meerforelle vielfach aufhält: Im unteren Drittel der Wassertiefe. Dies bringt manchen Anbiss einer Meerforelle, die nicht steigen würde.

6. Dadurch, dass die Fliege tiefer geführt wird, hakt man die Meerforelle besser und verliert weniger Fische im Drill. Eine Erfahrung, die ich seit 20 Jahren konstant sammelte.

7. Mittels der Sinkschnur in einer hohen Sinkrate kann man extrem schnell geführt und dennoch tief angeboten - also zwei aus meiner Sicht gravierende Schlüsselpunkte zum Fangerfolg - kombinieren.

Nachteile der Sinkschnur > Sink 3

Inwieweit eine  bestimmte Schnureigenschaft zu einem fischereilichen Nachteil wird, hängt natürlich von der individuellen fischereilichen Strategie ab.

1. Ein konstant sehr schnelles Einholen ist an den meisten Angelplätzen unabdingbar. Diese Art des Fischens erfodert einige (körperliche) Übung.

2. Ein Strategiewechsel auf eine kleine Fliege, die man mittelschnell oder gar langsam führen möchte, ist nur mit einem Schnurwechsel möglich.

3. Die Auswahl an Schnurprofilen (unterschiedliche Keulenlängen und Verjüngungen) ist im Bereich der Sinkschnüre in den höheren Sinkraten deutlich geringer als zum Beispiel bei den Schwimmschnüren.








Erkenntnisse

Ich vermute, so manch erfahrener Küstenfischer wird an dieser Stelle denken, dass das Küstenfischen mit einer Sink 4 oder gar einer noch schneller sinkenden Fliegenschnur vergleichsweise sehr anstrengend sein muß. Und das ist fair! Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man sich beim Einholen nicht einen Fehler erlauben kann, ohne unmittelbar fest zu hängen. Nein, nicht am Fisch, sondern natürlich am Grund.
Dafür aber profitiert man von den werferischen Vorzügen und dies bringt durchaus eine gute Portion sehr entspanntes Werfen mit sich.
Unterm Strich ist die Frage nach der optimalen Fliegenschnur innerhalb einer gut passenden fischereilichen Strategie immer auch eine Sache der Übung und daraus resultierenden Gewohnheit.
Ich selbst habe an besonders tiefen Stellen schon immer eine Sinkschnur als erheblich fischiger erfahren. Nach ausgiebigem Testen von schnellsinkenden Schnüren auch an den durchschnittlich tiefen bzw. flachen Angelplätzen entlang der Küste bin ich vom Fischen mit einer Sink 4 oder 5 Schnur begeistert!
Sink 6 oder 7 bleibt SEHR speziell, kann meiner Einschätzung nach aber auf große Heringsfresser ein Schlüsselpunkt sein. Hier werde ich weiter am Ball bleiben und berichten.

Der Weisheit letzten Schluß

Nein, der Weisheit letzten Schluß ist das Fischen mit der schnell sinkenden Fliegenschnur natürlich nicht. Aber einen Versuch wert ist diese Küstenfischerei meiner Meinung nach insbesondere, wenn man GEGEN den Wind, bei STARKEM Wind oder an etwas tieferen Angelstellen fischen möchte.
Ebenso erscheint mir ein Test bei sich zeigenden - aber auf die Standardmethode nicht beißen wollenden - Meerforellen als sehr lohnenswert.
Man kann ja jederzeit zurück wechseln auf die schwimmende oder leicht sinkende Schnur.  So hat man auch direkt den Vergleich.
Ich könnte mir denn vorstellen, dass so manch Küstenfischer ebenfalls von den Vorzügen entsprechender Sinkschnüre begeistert sein wird, denn die Sinkschnur fischt sehr effektiv, sofern man seine Strategie gut mit ihr abstimmt.
Ich wünsche viel Spaß und guten Fang beim Testen!?
Einer neuer Trend also?
Ich denke nicht für den Einstiegsbereich in die Meerforellenfischerei. Aber mit einiger Erfahrung, wer weiß!?
Herzlich Euer
Bernd Ziesche




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