Wer
von uns
kennt ihn nicht, den Traum von dem einen ganz großen Fisch, den man –
und das ist das beinahe dramatische daran, nur einmal im Leben fängt!
In der Realität entscheidet oft eine einzige Sekunde über den Fisch des
Lebens.
Hat man ihn einmal gehakt, schießen einem schlagartig unzählige und
scheinbar unkontrollierbare Gedanken in den Kopf:
Wie groß ist er?
Wie sieht er aus?
Ist er in Topkondition?
Habe ich denn überhaupt eine Chance, ihn zu landen?
Kann ich ihn nicht wenigstens schon einmal kurz sehen?
Sitzt der Haken gut?
Hält das Vorfach?
Alle diese Gedanken sind eher kontraproduktiv, wenn es darum geht, den
Fisch am Ende erfolgreich landen zu können. Doch die Gedanken während
des Drills eines wirklich großen Fisches lassen sich oft nur schwer
steuern.
Was wir hingegen gut steuern können, ist das Treffen einiger
Vorbereitungen für jenen Moment, den viele von uns nur einmal im Leben
erfahren. Nachfolgend finden Sie einige Möglichkeiten der guten
Vorbereitung:
1. Verwenden Sie scharfe Haken, und scheuen Sie sich
nicht, den Haken regelmäßig einmal auszuwechseln.
2. Vermeiden Sie Knoten im Vorfach, und achten Sie
eher auf die saubere Präsentation der Fliege als auf den besonders
weiten Wurf.
3. Wechseln Sie das Vorfach regelmäßig aus, und
erneuern Sie es unverzüglich im Falle von entstandenen Knoten.
4. Achten Sie auf sichere Verbindungen auf dem Weg
vom Backing bis hin zur Fliege.
5. Verwenden Sie eine angemessene Menge Backing oder
besser noch ein klein wenig mehr.
6. Verwenden Sie angemessenes Gerät für das Befischen
Ihres Zielfisches. Dies gilt für die Rute wie auch für die Stärke Ihres
Vorfaches.
7. Vergessen Sie nicht Ihren Unterfangkescher, wenn
die Situation am Fischwasser regelrecht danach verlangt.
8. Fischen Sie stets mit einer guten Strategie des
Hakensetzens. In vielen Situationen ist der Zug über die Schnurhand
sehr effektiv.
9. Legen Sie sich eine gute Drillstrategie zurecht.
Hierzu gehört auch das Wissen um einen möglichst guten Landeplatz.
Besprechen Sie Ihre Strategie ggf. vorher mit Ihrem Guide. Dies
ist längst nicht nur beim karibischen „Tarponfischen“ ein ganz
entscheidender Punkt.
10. Bereiten Sie sich mental vor, und durchdenken Sie
eine entsprechende Situation vorher einmal. Träumen Sie ruhig hin und
wieder ein wenig!
Für den Fall, dass Ihr Fisch des Lebens in greifbare Nähe rückt, möchte
ich Ihnen gerne einige Tipps für den Drill mit auf den Weg geben:
1. Bewahren Sie Ruhe – jeder Fisch, und mag er noch
so groß sein, wird irgendwann müde.
2. Konzentrieren Sie Ihre Gedanken auf das
Wesentliche, auf den Fisch.
3. Drillen Sie nicht statisch, sondern verlagern Sie
den Druck immer wieder von der einen zur anderen Seite. Bringen Sie den
Fisch aus seinem Gleichgewicht. Und vor allen Dingen üben Sie den Druck
gegen den Fisch aus, in dem Sie Ihre Rute nicht konstant senkrecht nach
oben ausrichten. Dies ist besonders in der Endphase des Drills
ineffektiv.
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4.
Vermeiden Sie möglichst, dass sich der Fisch an
der Oberfläche hin und her wälzt. Hierfür kann es hilfreich sein, die
Rutenspitze vorübergehend unter Wasser zu tauchen. Zusätzlich kann es
helfen, den Druck kurzfristig etwas zu reduzieren.
5. Lassen Sie sich nicht durch spontane Kommentare
oder nett gemeinte Ratschläge anderer Mitangler ablenken. Sie selbst
kennen Ihr Gerät am besten. Und Sie sind es, der oder die seine bzw.
ihre Konzentration
auf den Fisch ausrichten sollte. Niemand sonst!
6. Gehen Sie besonders konzentriert in die Endphase
des Drills über. Genau in dieser Phase kurz vor der Landung gehen viele
große Fische durch „überhitztes“ Drillverhalten doch noch verloren!
7. Vermeiden Sie bei der Landung des Fisches einen zu
spitzen Winkel zwischen der Rute und der Schnur Richtung Fisch.
Andernfalls kommt es leicht zu einer Stauchung des Materials im oberen
Bereich Ihrer Rute, und die Spitze zerbricht.
8. Bei besonders starken Fischarten sollten Sie stets
die Überwindung des Trägheitsmomentes der Rolle zu Beginn einer
besonders starken Flucht vor Augen haben. Folgen Sie dem Fisch im
richtigen Moment, indem Sie Ihren Arm hinter dem Fisch her strecken. So
reduzieren Sie genau dann den Druck auf die schwächste Stelle im
System, wenn die Rolle anfängt, Schnur frei zu geben.
9. Bei besonders weiten Fluchten oder bei Fluchten
gegen die Strömung entsteht ein Großteil der Vorfachbelastung durch den
Wasserdruck auf die Fliegenschnur. Diesen Teil des Druckes können Sie
nicht steuern. Nutzen Sie den Druck über die Rute und reduzieren diesen
ggf. etwas. Kommt der Fisch später wieder in Ihre Nähe oder ist stromab
ausgerichtet, sollten Sie den Druck über die Rute wieder etwas erhöhen.
10. Und schließlich: Geben Sie nie auf! Man hat immer
eine Chance, den Fisch zu landen.
Der schmale Pfad zwischen dem Fisch des Lebens und einer Schlucht
voller nachhaltig negativer Emotionen ist oft nur wenige Zentimeter
breit! Sehen Sie nicht für eine Sekunde nach unten, denn es könnte
genau die Sekunde sein, die über Ihren Fang des Lebens entscheidet.
Ein sehr guter Freund von mir sagte einmal: „Erst, wenn Du einen noch
größeren Fisch gelandet hast, bist Du vollständig über den Verlust
eines wirklich großen Fisches hinweg.“
Ich selbst glaube, dass viele von uns an einen verloren gegangenen
großen Fisch genauso oft denken, wie an einen tatsächlich gefangenen
großen Fisch. Und ironischer Weise ist es vermutlich genau dieser
Punkt, der den Fisch des Lebens erst zu einem eben solchen macht!
Ich habe viele tolle und auch große Fische gefangen. Mein Fisch
des Lebens war noch nicht ganz dabei. Und ich gebe gerne zu, der
Gedanke, ihn noch fangen zu können, ist ein sehr schöner und zugleich
verlockender Gedanke.
Wenn es irgendwann soweit sein sollte, und er meine Fliege nimmt, werde
ich ihm großen Respekt und 100% Aufmerksamkeit zugleich widmen. Sollte
ich ihn dennoch verlieren, so werde ich wissen, dass dies das Salz in
unserer Suppe ist. Mit dem Gefühl alles getan zu haben, hat diese Suppe
für mich fast keinen bitteren Beigeschmack mehr.
Ich wünsche Ihnen zusätzlich das nötige Glück für Ihren Fisch des
Lebens!
Herzlich Ihr und Euer
Bernd Ziesche |