- Fliegenwurfschule -

  Elemente des Fliegenwurfes
 

Heutzutage findet man im Internet ein reichhaltiges Angebot von den verschiedensten Wurfkursen. Einsteigerkurse, Fortgeschrittenenkurse, Profikurse, Trickwurfkurse, Distanzwurfkurse, Spey-Casting-Kurse, Einhand- und Zweihandkurse, Instruktorenkurse, Individualkurse und viele mehr. Man findet Angebote von Eintages-, Zweitages- oder auch Dreitageskursen.
Ebenso umfangreich ist das Angebot an verschiedenen Würfen, welche man erlernen kann.
Und noch vielfältiger sind die Namen unter denen man all diese Würfe finden kann. Manch einen Wurf findet man problemlos unter mehr als 5 verschiedenen Namen!

Doch worauf kommt es nun wirklich an?

Dieser Frage habe ich mich lange Zeit gewidmet.
Im Laufe der Zeit habe ich immer wieder festgestellt, dass sich alle Würfe aus den gleichen Elementen zusammen setzen. Ebenso liegen die Ursachen für alle Wurfprobleme immer wieder in genau diesen Basiselementen!
Beherrscht man diese Elemente im Wurfablauf erst einmal, funktioniert jeder Wurf sehr gut.
Ebenfalls ist man so in der Lage, neue Würfe sehr viel schneller zu erlernen, indem man nämlich die Basiselemente in den neuen Wurf einsetzt.

Interessanterweise habe ich bisher in keinem der über 50 Wurfkurse, in denen ich selbst der Schüler war, genau diese Basiselemente gelehrt bekommen.

Dabei haben bereits 1993 die zwei sehr erfolgreichen amerikanischen Wurflehrer Bill und Jay Gammel (Vater und Sohn) eine Broschure mit dem Titel "The Essentials Of Fly Casting" veröffentlicht. Für mich ist dies bis heute die vielleicht beste Arbeit zu diesem Thema überhaupt. Doch scheint es, als ob diese Arbeit viele in Europa (und gerade im deutschsprachigen Raum) lebenden Wurflehrer immernoch nicht erreicht hat!?

"The Five Essentials of Fly Casting" (Die 5 Grundlagen des Fliegenwerfens) von Bill und Jay Gammel auf einen Blick:

1. Am Ende einer jeden Beschleunigung im Wurf muss eine Pause sein, welche mit der Schnurlänge außerhalb der Rutenspitze variiert.

2. Die Menge an loser Schnur sollte so gering wie möglich gehalten werden.

3. Um eine Schlaufe mit möglichst wenig Luftwiderstand - möglichst geradlinig - auf das Ziel zu werfen zu können, muss man die Rutenspitze entlang einer geraden Linie beschleunigen.

4. Die Größe des Arbeitswinkels zwischen den Stopps muss an die Länge der Schnur außerhalb der Rutenspitze angepaßt werden.

5. Die Kraft im Wurf muss an der richtigen Stelle und in der richtigen Stärke angewendet werden.






Noch heute - 20 Jahre später - stimme ich sehr gut mit dieser Arbeit von Bill und Jay Gammel überein.

Darüber hinaus biete ich insbesondere in Punkt 4 gerne einige Ergänzungen an:

Viele Werfer verwenden für die kurze und die lange Schnur vor der Rutenspitze einen jeweils ganz ähnlichen (nahezu identischen) Arbeitswinkel (Winkel zwischen den Stopps). Eine Anpassung an die jeweilige Schnurlänge findet also kaum statt!
Diese Werfer haben sich schlicht an ihren "Lieblingsarbeitswinkel" gewöhnt. Und diesen haben sie so gewählt, dass der resultierende Beschleunigungsweg auch für die größere Schnurmenge ausreichend (bzw. gut passend) ist.
Im Optimalfall stimmt der Werfer hingegen seinen Arbeitswinkel auf die gewünschte Schnurgeschwindigkeit (nicht zwangsweise Schnurlänge) ab! Für das Erzeugen einer hohen Schnurgeschwindigkeit benötigt man einen größeren und für das Erzeugen von einer relativ geringen Schnurgeschwindigkeit (zumeist im Falle der kurzen Schnur) einen entsprechend kleineren Arbeitswinkel.

Ebenso sollte der Arbeitswinkel auf die gewünschte Flugbahn für Vor- & Rückwurf (welche möglichst entlang einer Geraden verlaufen sollten) abgestimmt werden.

Darüber hinaus sollte der Arbeitswinkel grundsätzlich mit der Höchstmenge an Rutenbiegung während des Wurfes zusammen passen. Es gilt bei sehr weichen Ruten (viel Biegung) einen im Vergleich zu relativ steifen Ruten (wenig Biegung) etwas größeren Arbeitswinkel zu wählen. Siehe hierzu die nachstehende Zeichnung!
Die Menge an Rutenbiegung ist allerdings nicht nur von der Rutensteifigkeit alleine, sondern auch von der zu werfenden Schnurlänge und der vom Werfer eingesetzten Kraft (je nach gewünschter Schnurgeschwindigkeit und dem hierzu im Optimalfall gut passend gewählten Arbeitswinkel) abhängig!

Tatsächlich wird im Fall der kurzen Schnur oft mit a) etwas mehr Kraft als notwendig und b) mit einer unbewußt relativ weiten Schlaufe geworfen.
Um die Ursachen hierfür wirklich verstehen zu können, müßen wir ein klein wenig tiefer in die Wurfphysik einsteigen:

Je kleiner der Arbeitswinkel ist, desto kürzer ist der Beschleunigungsweg für den Wurf. Viele Werfer fühlen sich mit einem sehr kleinen Arbeitswinkel, welcher für die kurze Schnur oft am besten passen würde, unwohl, weil es auf dem längeren Beschleunigungsweg einfacher ist, die passende Schnurgeschwindigkeit zu erzeugen. Wie oben erwähnt haben sie sich zumeist zusätzlich an den für die höhere Schnurgeschwindigkeit (zumeist bei längerer Schnur) gut passenden (größeren) Arbeitswinkel gewöhnt.
In der Folge erzeugen nun viele Werfer (unbewußt) bei der kurzen Schnur oder beim Wechsel von einer weichen auf eine eher steifere Rute etwas mehr Rutenbiegung, indem sie einfach etwas mehr Kraft für den Wurf anwenden.
Die somit zusätzlich entstehende Rutenbiegung passt nun besser zu dem größeren Arbeitswinkel - sofern man (was ja meistens der Fall ist) relativ enge Schlaufen formen möchte.
Darüber hinaus ist es beim Werfen einer relativ kurzen Schnurlänge oft noch nicht unbedingt notwendig, eine besonders enge Schlaufe zu werfen, um die Fliege ins Ziel zu bringen.
Unterm Strich sehe ich durch diese Abhängigkeiten bei vielen Werfern beim Werfen von kurzer Schnur oft etwas mehr Krafteinsatz als notwendig, einen eigentlich etwas zu großen Arbeitswinkel und eine Schlaufe, die durchaus noch enger sein könnte.
Es besteht also häufig noch ein Optimierungspotential in der Anpassung des Arbeitswinkels an die gewünschte Schnurgeschwindigkeit - gerade im Falle der kurzen Schnur, welche häufig mit vergleichsweise weniger Geschwindigkeit geworfen werden kann (nicht muss, aber häufig sollte).



Die Relation des Arbeitswinkels  für die steife und die weiche Rute:





Unser oberstes Ziel beim Fliegenwerfen ist es, die Fliege mit möglichst wenig Kraftaufwand ins Ziel zu bringen.
Dafür benötigen wir eine passende Schlaufenform, eine angemessene Schnurgeschwindigkeit und eine passende Flugbahn.

Mehr nicht? Nein, mehr nicht!

Nachdem ich mich sehr lange und sehr ausführlich mit den 5 Essentials und deren Anwendung im Fliegenwurf bei vielen Schülern und Experten zugleich auseinandergesetzt habe, stelle ich Ihnen nun meine Überarbeitung inklusive einiger Erweiterungen dieser vor.
Eines vorweg:
Mein Ziel ist nicht mehr das Formen der grundsätzlich engen Schlaufe (was ursprünglich auf jene "5 essentials" zutraf), als viel mehr das Formen der gewünschten (passenden) Schlaufenform. In einigen Fällen benötigen wir ja durchaus weite Schnurschlaufen in unserer Fischerei!

Die Elemente des Fliegewurfes aus meiner Sicht:

1. Vermeide lose Schnur, wenn möglich.
Als lose Schnur bezeichnen wir Schnur, die nicht möglichst geradlinig verläuft, also nicht gestreckt bzw. unter guter Spannung ist. Liegt die Schnur z.B. vor Beginn des Wurfes in Schlangenlinien auf dem Rasen oder Wasser, so führt dies zu einer ungleichmäßigen Zunahme an Rutenbiegung im Wurf. Dies ist sehr kontraproduktiv für einen guten Fliegenwurf. Aber auch während des gesamten Wurfablaufes sollte lose Schnur stets vermieden werden, sofern sie nicht für bestimmte Würfe explizit benötigt wird (wie z.B. beim Fallschirmwurf).

2. Timing: Schnurstreckung abwarten.
Geben Sie der Schnur die richtige Zeit für die Streckung, bevor Sie den nächsten Wurf starten.
Die richtige Zeit? Warten Sie die Streckung vollständig ab und beschleunigen nicht in die noch ungestreckte Schlaufe hinein.

3. Gleichmäßige Beschleunigung zum abrupten Stopp.
Vermeiden Sie "Druckpunkte" und einen plötzlich zunehmenden Krafteinsatz während der Beschleunigung. Es gilt, eine zu plötzliche/zu abrupte Zunahme an Rutenbiegung zu vermeiden.

4. Rotation zur richtigen Zeit.
Es gibt zwei Arten der Beschleunigung:
A) Translation (Ziehen der Rute ohne die Uhrposition zu verändern) und B) Rotation (Kippen der Rute = Veränderung der Uhrzeit).
Durch die Rotation der Rute im Wurfablauf - also dem Kippen von z.B. 10Uhr auf 14Uhr - legt die Rutenspitze bei einer 9 Fuß Rute deutlich über 5 Meter Strecke zurück! Wir nutzen somit die Rotation als ein äußerst effektives Mittel zum Erzeugen von Geschwindigkeit für die Rutenspitze (die Schnur wird natürlich mit beschleunigt).

Die Rotation macht 90% des Wurfes aus und sollte zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden. Wann? In den meisten Fällen (in denen eine ENGE Schlaufe geformt werden soll) noch etwas später. Wenn Sie so wollen: Verzögert! Enge Schlaufe: Erst ziehen und dann rotieren (kippen). Für das Formen der weiten Schlaufe empfielt sich hingegen die Rotation über den gesamten Zugweg der Rutenhand zwischen den jeweiligen Stopp-Positionen dieser. Je nach gewünschter Schlaufenform gilt also: "Rotation zur richtigen Zeit".

5. Stimme den Arbeitswinkel (sowie den Zugweg) auf a) die gewünschte Schnurgeschwindigkeit, b) die gewünschte Schlaufenform, c) die gewünschte Flugbahn & d) die Rutensteifigkeit ab.
Es gelten:
Geringe Schnurgeschwindigkeit = kleiner Arbeitswinkel & hohe Schnurgeschwindigkeit = größerer Arbeitswinkel.
Je kleiner der Arbeitswinkel, desto enger wird die Schlaufe zumeist. Weitere Details hierzu entnehmen Sie bitte dem vorangegangenen Text zur Erweiterung von Punkt 4 aus den ursprunglichen 5 Essentials.

6. Die Rute während der Beschleunigung und während des Anhalteweges in einer Ebene führen.
Stellen Sie sich eine Ebene wie eine rote Mauer von geringer Wandstärke (vllt. 10cm) vor. Insbesondere auf dem gesamten Beschleunigungs- & Anhalteweg der Rute zwischen den Stopp-Positionen vorne und hinten sollte die Rute in dieser Mauer geführt werden. Verlässt die Rutenspitze die Mauer, so verliert die Schnurschlaufe schnell deutlich an Effizienz. Dies gilt sowohl für das Formen von engen, wie aber auch für das bewußte Formen von weiten Schlaufen.

optional (da nicht zwingend notwendiger Bestandteil): Drift: Um den möglichen Arbeitswinkel und/oder Zugweg für den Folgewurf zu vergrößern.
Für das Werfen einer sehr großen Schnurmenge benötigt man eine sehr hohe Schnurgeschwindigkeit. Um diese zu erreichen, erweitern viele Werfer ihren Arbeitswinkel deutlich.
Dies führt allerdings oft zu relativ großen Schlaufen.
Eine andere Möglichkeit ist das Setzen eines relativ hohen Stopps (ca. 10 Uhr) - also dem Verwenden eines nicht ganz so großen Arbeitswinkels - und dem anschließenden Mit-der-Rute-Folgen (Driften), um für den nächsten Wurf mehr Beschleunigungsweg zu erhalten.
Sie wahren also den hohen Stopp für das Erzielen der engen Schlaufe und verlängern gleichzeitig den Beschleunigungsweg für den Folgewurf.
Darüber hinaus bietet die Technik des Driftens ein Reduzieren des Nachschwingens der Rute nach dem Stopp. Dadurch entstehen weniger Schnurwellen!
Für all jene Aspiranten, welche die Schnurstreckung oft nicht ganz abwarten, hilft das Driften oft automatisch, diese Schwäche zu eliminieren.
Wirklich gute Werfer setzen das Driften viel und oft sehr effektiv ein. Lernen Sie es am besten von Anfang an, und Sie werden es häufig anzuwenden wissen.
Für mich ein klares Basiselement des Fliegenwerfens!

Auf einen Blick:

Ein paar kurze Worte zum Entstehen der engen Schlaufe: Vielfach steht die gerade Beschleunigungslinie (für die Rutenspitze) während der Beschleunigung als Wurfziel zum Formen der engen Schlaufe geschrieben. In Wahrheit wird die Schlaufengröße bei vielen durchschnittlichen Wurfbewegungen/Würfen zu einem größeren Teil durch den Weg der Rutenspitze während des Überschwingens der Rute - also auf dem "Anhalteweg" - geformt!
Ein Lockern der Griffhaltung am Ende des Stopps hilft hier, um das Überschwingen der Rute etwas zu dämpfen.





Fazit:
Auch viele fortgeschrittene Werfer sind sich oft der tatsächlichen Elemente des Fliegenwurfes nicht bewusst und üben das Werfen vielfach ohne ein klares Ziel und ohne eine solide Struktur.

Im Hinblick auf die Teilnahme an Wurfkursen sei angemerkt:
Entscheidend ist nicht das, was Sie an einem Kurstag an werferischen Fähigkeiten erlangt haben. Entscheidend ist das, was Sie selbst in der Folge aus dem Gelernten machen!

Beherrschen Sie die Elemente des Fliegenwerfens, stehen ihnen alle Türen offen, und Sie können in kurzer Zeit zu einem sehr erfolgreichen Fliegenwerfer werden.

Und hier fällt mir ein Zitat von Joan Wulff ein:
"Wenn Sie nicht wissen, wo der Fisch steht, aber die Wasserfläche systematisch abfischen können, lösen Sie das Mysterium oft und fangen den Fisch. Wenn Sie wissen, wo der Fisch steht, ihn aber werferisch nicht erreichen können oder die Fliege nicht sauber präsentieren können, sind Sie noch nicht einmal im Spiel!

In diesem Sinne vergessen Sie bitte nicht:
The first cast is always the best cast!

Ich wünsche Ihnen, dass er optimal gelingt.

Herzlich Ihr und Euer
Bernd Ziesche


>>zurück
>>Home
>>Kontakt